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Ufem Wäg id Freiheit (16.5.04)

Predigt zu Johannes 16, 7.13 (16. Mai 2004)

Im Johannesevangelium, im 16. Kapitel seit Jesus im 7. Värs zu syne Jüngerinnen und Jünger:
"Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden."   und im 13. Värs fahr är wyter:
Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten."

Liebi Gmeind,
I ha scho lenger dä Predigtäxt für hüt usgwählt gha, wills mi tüecht het, är passi guet für die Zyt zwüschen Oschtere und Pfingste. Ir Predigvorbereitig hani du aber rächt drann ume gköjiet. I ha mi gfragt: was hei die Abschiedswort vo Jesus a syner Jüngerinne und Jünger eigetlech mit mir z tüe und mit dere Läbeswürklechkeit wo dir alli drinn syt.
Und wo vorgeschter Namittag d  Früehligssunne ändlech wieder so rächt i d Studierstube ynezündtet het, han is nümm lenger usghalte vor mym Computer: I ha gspürt, dass ou i furt muess, chli druus und dänne. I ha mys Velo gno und bi gäges Gwatt gradlet.
S het guet ta, dr Fahrtwind um my Chopf um z gspüre und d Bewegig vo de Muskle, wo dr Gwattstutz uf rächt hei müesse schaffe. Und geng wi meh sy mir ou d Ouge wieder ufggange für d Pracht vom Früehlig um mi um. Churz nachdäm dass i gäge Zwieselbärg abboge bi, hets mi gstellt: Da isch e blüehjige Öpfelboum gstande, so über und über bhanget, i hätt di lengscht Zyt chönne i sy Bluescht stuune, und i ha ds Dichterwort begriffe, wo seit: "Verweile doch, o Augenblick, du bist so schön!"
Und plötzlech isch es wieder da gsy, das andere Wort, das Wort vo Jesus usem Predigtäxt: "Es ist gut für euch, dass ich fortgehe..."
Und i ha gspürt: Das isch wahr. Das gilt ou für die Bluescht. Nones paar Tag wird si so schön sy, und de muess me ou vo ihre Abschied näh. Aber i ha ou verstande, dass das guet isch eso, ou wes mi wehmüetig gstimmt het: Jedi Bluescht het einisch es Änd, d Natur wott wyter schryte in ihrer Entwicklig: Nume wenn d Bluescht cha gah, chas am Boum fruchte und ryffe. "Es ist gut für euch, dass ich fortgehe..."

Aber bi üsem Predigtäxt geits ja nid um d Natur, han  i mir gseit. Da geits konkret ume Abschied vomene Mönsch, wo de Jüngerinne und Jünger sehr viel bedütet het. Und i ha mi gfragt: Wie isch das, we mir vo Mönsche müesse Abschied näh? isch de das ou guet für üs?
Mir sy eigeti Erfahrige i Sinn cho mit Abschiede vo Mönsche (ou grad düre Tod), wo mir viel bedütet hei i mym Läbe Und i ha müesse säge, i ha dert Ähnlechs erfahre. Trotz allem Schmärz, wo mit dene Abschiede isch verbunde gsy, hani wi vo ganz inne gspürt: Es isch guet, dass dä Mönsch furtgeit. Zwar het dä Gedanke, wo da vo ganz inne här isch cho, no ne Zyt lang Seili zoge mit dene Gfüehl und Gedanke ar Oberflächi, wo gseit und vilicht sogar gschroue hei: Es darf doch no nid ufhöre! dä Mönsch darf doch no nid wäggah! är tuet mir so guet, i bruuchti no so mängs vo ihm! Aber die Stimm "es isch guet so" het sech im Undergrund geng wi meh düregsetzt - und viel speter, im Zrüggluege, hani ganz dütlech chönne erchenne: Ja, es isch guet gsy, dass es dä Abschied gäh het. Sider denn het sech i mym Läbe so mängs chönne entwickle, het chönne fruchte und ryffe, was nid wär müglech gsy, we dä Mönsch nid wäri furt ggange.

So hani sinniert under däm blüehjigen Öpfelboum. Won i wieder bi ufs Velo gstige und wyter gfahre, hani mi gfragt: Was isch der dr töifer Grund drfür, dass Abschiede näb allem Schmärz öppis guets hei für üs?
Spontan isch mir i Sinn cho: Für dass mir sälber lehre loufe!

Es isch doch eso: Jedes vo üs dürläbt im Louf vo sym Läbe e ganzi Zylete vo üssere Abschiede, wo nötig sy, für dass mir richtig lehre läbe:
Das faht scho bir Geburt a: Der Abschied usem Muetterlyb. So weh das tuet (für Muetter und Chind): "Es ist gut..." - nume so chöi mir es eigets Läbe afah und mit dr Zyt ou sälber lehre loufe.
Denn dr Abschied usem Elterehuus. Früecher oder speter isch dä bi jedem nache: "Es ist gut..." - nume so chöi mir lehre, sälber Verantwortig für üsers eigete Läbe z übernäh.
I dänke ou a Abschied vo Lehrerinne und Lehrer, Meischterinne und Meischter, wo üs prägt und viel mitgäh hei für ds Läbe: "Es ist gut..." - nume so chöi mir würklech sälbständigi Erfahrige mache.
Aber ou bi de ganz herte Abschiede vo Mönsche dür Trennig oder Tod: "Es ist gut..." - ou we mirs mängisch chum chöi fasse: o das chöi Chancene zum Wyterryfe sy.

Abschied näh, für sälber lehre z loufe, geng und geng wieder i nöier Wys - das isch eis vo de töifere Gheimnis vom Läbe und da druf verwyst Jesus, wenn är seit: "Es ist gut für euch, dass ich fortgehe..."

Ungerdesse bin i mit mym Velo dür ds Dörfli Zwieselbärg düre gsy und e happige Stutz uf gradlet. Es isch geng wi stotziger worde, het Chraft u Ate brucht. Jetz wärs gäbig, we eim öpper vordrann würdi zieh, hani dänkt, we me eifach so chönnti hinderelige. Und z glycherzyt het sech us dr Töifi e Stimm gmolde: Das schaffsch du doch sälber! vertrou uf d Chraft i dir, und wenn ou nid der ganz Bitz ufem Sattel masch mache, chasch ja ou abstyge und ds Velo e Zyt lang stosse!

Ja, liebi Gmeind, my Velotour und der Predigtäxt stellen üs plötzlech d Frag: Wei mir üsers Läbe "ussegleitet" oder "innegleitet" läbe?
"Ussegleitet" oder "innegleitet", was meinen i drmit:

Wei mir i üsem Läbe öpper vordra spanne, wo üs bi Allem klar seit, was mr ztüe hei, wo üs jede Entscheid abnimmt und drmit ou jedi Verantwortig? Das isch es ussegleitets Läbe. Viel Mönsche wei so läbe. Es isch i Mängem gäbig eso. Im Extremfall chas aber de so use cho, wi bi dere amerikanische Soldatin, wo me uf de Bilder gseh het, wi si Gfangeni folteret, und wo denn, wo me se derwäge verhört het, zur Antwort gäh het: "Wir haben getan, was verlangt wurde". Es ussegleitets Läbe: Sech vo de Vorgsetzte la säge, was me z tüe het, alli Verantwortig vo sech ewägg uf anderi abschiebe. E Zahnredliexistänz inere unmönschleche Maschinerie. Isch das es Läbe, wo sech würklech lohnt? wei mir das, ussegleitets Läbe?

Oder im Kontrast drzue: Innegleitets Läbe: Es Läbe, wo mir sälber i persönlecher Freiheit (so guet dass das müglech isch) gstalte und entscheide, was mir wei. Wo mir aber de ou für d Konsequänze grad stöh, wo üser Entscheide mit sech bringe. Es ydrücklechs Byspiel dadrfür het im zwöite Wältchrieg dr berüehmt polnisch Pädagog und Dichter Janusz Korczak gäh, wo im Warschauer Ghetto zwöihundert Waisechind betreut het. Wo d Nazi die jüdische Waisechind hei wölle ermorde, hei si däm berüehmte Erzieher d Freiheit abotte. Aber är het das Agebot usgschlage, het syner Chind nid wölle elei la. Us innerster Freiheit isch är bi ne blibe und isch ne voraggange ufem Wäg i ds Vernichtigslager Treblinka.

Wei mir üsers Läbe ussegleitet oder innegleitet läbe? wei mir üs vo usse la säge, wos düre geit, oder wei mir dr eiget Wäg wage und dür mänge Abschied düre wyter ryffe und geng wi meh zu üs sälber finde?


Da gsehn i uf myre Velotour uf einisch der Wägwyser "Jakobsweg". S geit ufeme Waldwäg gäge Amsoldinge zue. Bim Abschtyge vom Velo gspüren i nöi dr Bode under myne Füess, gspüre dr Wäg, gspüre d Gschicht vo däm uralte Wäg, wo syt Jahrhunderte unzähligi Pilger düregloffe sy, wo ihre Läbeswäg hei wölle überdänke und vertöife. Isch es nid fascht, wie wenn ig hinder mir Schritte würdi ghöre, dr Schatte würdi gseh vonere Gstalt mit grossem Schlapphuet und wytem Mantel und mit der Jakobsmuschle am Rügg, wo mi yholt und überholt und mit chreftige Schritt wyters uszieht, will si no e wyte Wäg vor sech het? Ja, da bin i uf de Spure vo Mönsche, wo ou nümm lenger hei wölle ussegleitet läbe, und drum i ihrem Läbe ou einisch e Zäsur hei gmacht, üsserlech vo allem hei Abschied gnoh: vor Familie, vor Arbet, vo ihrer ganze Existänz, für sech als Pilger ufe dä läng Wäg zmache nach Santiago de Compostela, uf dä symbolisch Wäg, wo ja letztändlech e Wäg zu sich sälber isch. Uf däm Wäg hei si ihre eiget Läbeswäg meditiert und hei drby vermuetlech nadisnah entdeckt, dass die üssere Abschiede nid länge, dass es no subtileri Forme vo innere Abhängigkeite git, wo me muess lehre erchenne, und ou innerlech vo mängem muess Abschied näh, wenn usem Läbeswäg e Ryffigswäg söll wärde:

Wär im Louf vo sym Läbe geng wi meh wagt i Spiegel z luege (i meine nid dä im Badzimmer, sondern dä Spiegel, wo eim ds Läbe vor ds Gsicht het, dä Spiegel, wo me i jedere Situation cha dryluege und geng wieder öppis nöis vo sich cha erchenne), wär so geng wieder i Läbesspiegel luegt, entdeckt plötzlech:
Da han i zwar üsserlech Abschied gnoh vom Muetterlyb, vo de Eltere, vo Lehrerinne und Lehrer, vilicht sogar dür Trennig und Tod vo Mönsche, wo vili Jahr für mi ganz wichtig si gsy. Aber - d Frag isch da - hani innerlech würklech Abschied gnoh? Ghören i nid da und dert Stimme i mir, wo die Mönsche no voll präsent sy und sech geng wieder zu Wort mälde?
I däm Läbesspiegel cha plötzlech d Frag uftouche: Wenn i so und so entscheide, isch das jetz würklech my Entscheid, oder isch es d Stimm vo myre Muetter, oder d Stimm vo mym Chef, wo i mir tönt und wo mi geng no wott dominiere? Läben i würklech "innegleitet" oder geng no "ussegleitet"? oder wo wirden i ou i mym Innere ganz subtil vo anderne Stimme gleitet und bi gar nid bi mir sälber? Ja, wo bin ig? und mit "ig" meinen i nid mys oberflächlech Ego, wos guet isch, we mirs nadisnah dürschoue und hinder üs löh, sondern mys innerschte Ig, mis grosse innerschte "Sälbscht", das, won i geng wi meh wett entdecke, das wo mi im Töifschte usmacht, da won i mym Läbessinn und myre Läbesufgab uf d Spur chume, das, won i gspüre, dass nume, wenn i däm Ruum gibe, dass i nume denn ganz bi mir bi und ou nume denn ganz für anderi cha da sy.
Und uf einisch wird d Frag ganz starch: Wo han i innerlech no Abschiede z vollzieh, für dass sech ds Wort vo Jesus ou i mir no besser cha uswirke: "Es ist gut für euch, dass ich fortgehe..."

Ja, uf däm Bitz Jakobswäg bin i töif i ds Frage ynecho. Aber i ha drby ou gspürt: We d Pilger ufem Jakobswäg und we mir ufem Läbeswäg wei vorwärts cho, de dörfe mir dene Frage nid uswyche, so unagnähm si vilecht mängisch sy.

Won i du gäge Amsoldinge zue wider uf ds Velo ufgstige bi, isch mir ou wieder üse Predigtäxt i Sinn cho, und i ha mi dra erinneret, dass är ja no e zwöite Teil het. Wi het Jesus doch gseit:
"Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden."  
Und dankbar isch mir bewusst worde: I bi nid elei glah mit myne Frage. Dennzumal, wo dr Uferstandnig Chrischtus ar Himmelfahrt ändgültig vo syne Jüngerinne und Jünger isch ewäg ggange, het är ne ar Pfingschte sy Geischt, dr Heilig Geischt gschickt, wo sider denn i üs allne läbt und und wirkt.

Dr "Heilig Geischt" - es grosses Wort, viel Chrischte hei fascht Hemmige, das z bruuche oder sogar ds gloube, dass öppis vo däm in ihnen inne syg. I ha uf dere Velotour dütlech gspürt, dass i dr "Heilig Geischt" oder "d Heilig-Geischt-Chraft" win i mängisch ou gärn säge, dass i die Heilig-Geischt-Chraft i mir inne gkenne, und i wett öich allne Muet mache, das für euch ou so z gseh: Äbe grad söttiger Erfahrige, wo bi schmärzleche Abschiede öppis töif in üs inne seit: "Es isch guet, so", grad söttiger Erfahrige hei z tüe mit em Heilige Geischt. Aber ou die Stimm, won üs Muet macht und wonis d Chraft git, öppis so z entscheide, wi mirs ganz inne für richtig finde und nid uf die Art, für dass mirs dadrmit em Vatter, der Chefin oder de Lüt rächt mache -  die Stimm het z tüe mit dere "Heilig-Geischt-Chraft".

Underdesse geit d Strass vo Amsoldinge gäge Allmendinge fei e chli nidsi und i gspüre e nöji Liechtigkeit und gspüre dr Fahrtwind, wo um myner Ohre wäiht: Heilige Geischt, Luft vo Gott. Isch es nid es Kennzeiche vo ihm, dass är d Mönsche wott i d Freiheit füehre?

I weiss, es git viel Chrischte, wo usem "Heilige Geischt" wieder e Schulmeischter gmacht hei, so ne innere Schuelmeischter wie zu Gotthälfs Zyte, eine, wo ganz guet ufpasst, dass si ja di richtige Gloubessätz ufsäge, oder wo ne eis uf d Finger git, wenn si öppis nid gnau so mache, wi das ihrer Uffassig nah e rächte Chrischt sött.
Aber Jesus het syne Jüngerinne und Jünger nid gseit, är schick ne e Vormund, sondern e "Bystand". D Heilig-Geischt-Chraft wott üs nid ufene subtili Art und Wys manipuliere und üs wieder usseleite, sondern wott üs bystah, für dass mir geng wi meh zu üsem innerschte Ig finde und innegleitet chöi läbe. D Heilig-Geischt-Chraft wott üs jede Tag nöi Muet mache, für das, won üs rächt tüecht, härezstah und dadrfür ou Verantwortig z übernäh.

Natürlech cha me ou usem Chrischtetum e Regelgloube, e Dogmegloube, e Züünligloube mache, we me das unbedingt wott. Natürlech cha me dr Jesus als grosses "Über-Ich" missbruuche, wo Mönsche unmündig macht. Da, wo  das gscheht, isch es gut, wenn ab und zue dr früsch Luft vor Heilig-Geischt-Chraft dryblast und die Sache über Huuffe gheit, wo verhindere, dass sech ächts Läbe cha entfalte.

Mittlerwyle bin i z Allmendinge acho. Won i zur Chilche chume, ghören i dür di offeni Türe, dass si grad am Üebe sy für d Konfirmation vom Sunntig. Der Konfirmandechor singt dr Gospel: "When Israel was in Egyptsland - let my people go". Und bi däm Satz wird mir bewusst: Das isch ja grad wie ne Zämefassig für all das, woni bi mire Predigvelotour glehrt ha:
Geits nid ir ganze Bibel drum, dass Gott üs Mönsche e Wäg i d Freiheit wott füehre? "When Israel was in Egyptsland" - Es isch doch keis Läbe, das Läbe ir Sklaverei, wo d Sklavetryber befähle, wos düre geit, drum: "let my people go" ("lah mys Volk la gah!"Smilie. Dä Uszug, dä Abschied us Ägypte, isch är nid wien es Urbild für üse Läbeswäg, wo üs dür vili Abschiedsstatione düre geng wi meh wott i d Freiheit füehre? Uf däm Wäg sy mir nid elei. Dr Uferstandnig schickt üs sy Heilig-Geischt-Chraft, won is bysteit und Muet macht und geng wieder dr nächst Wägbitz zeigt. Drum seit är syne Jüngerinne und Jünger dennzumal und ou hüt am Morge:
"Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden... Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten." Amen.

Markus Nägeli, Pfarrer

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