blank Texte - Besinnungen Zurück zur Startseite

Von allerlei Engeln

Gedanken zum Sonntag 29. August 2004 in: Homepage Ref. Kirche Thun

Und wiederum Feuerwerk: Glühende Schlangen winden sich in die Höhe und entfalten die Kronen von leuchtenden Palmen, die langsam in der Sommernacht verglühen. Höhepunkt um Höhepunkt jagt sich. Ein Feuerbild übertrumpft das andere. Auf meinem Balkon werde ich beinahe andächtig, als aus den Lautsprechern noch das Lied "I belive in angels" röhrt, währenddem der Feuerregen über dem Seebecken langsam in der Nacht verglüht.

Schön - Und doch stimmt irgend etwas nicht. Trotz prächtigster Flammenbilder, trotz geheimnisvollen Funkelns, will sich bei mir das Gefühl einer Gegenwart von Engeln nicht so recht einstellen. Im Gegenteil: in mir wächst Unzufriedenheit. Nicht, dass die Feuerwerker ihr Handwerk nicht verstünden. Die Show ist perfekt inszeniert. Es ist auch nicht nur die Knallerei, die mich stört und die den Hund in der Nachbarschaft winseln macht? Es sind auch nicht nur die dicken Rauchschwaden, die mir zu denken geben und die vom Westwind langsam gegen das Oberland hinweggeweht werden. Es ist auch nicht nur die Übersättigung, die sich naturgemäss einstellt nur eine Woche nach dem grossartigen Feuerwerk des Thunfestes und nur wenige Tage nach dem noch grossartigeren Feuerwerk, das von Athen aus zu Ehren des Olymps auf allen Fernsehschirmen rund um die Welt blitzte. Nein, in mir wachsen grundsätzliche Fragen:

Lange Zeit stellte ein grosses Feuerwerk ein besonderer Höhepunkt im Jahr dar. Wenn dies nun plötzlich zum Bestandteil jedes grösseren Festanlasses wird, verliert es da nicht seine Grossartigkeit? Was ist mit einer Gesellschaft los, in welcher sich Höhepunkt um Höhepunkt in immer schnellerer Kadenz jagen müssen. Hohle Fässer tönen am Lautesten. Und wenn bei solch demonstrativer Unersättlichkeit sogar noch das Lied von den Engeln herbeibemüht wird, zeigt dies die innere Leere des Ganzen nur noch deutlicher auf.

"I belive in angels" - oder könnte diese Liedzeile uns doch etwas zu sagen haben? könnte sie uns vielleicht einen Hinweis geben, dass die wahren Highlights des Lebens anderswo zu finden sind?
Da habe ich doch kurz zuvor erst zwei Engel erlebt und zwar live: Mein Bus war mir nachts in Allmendingen direkt vor der Nase abgefahren. Damit war ein Fussmarsch angesagt auf dem doch recht langen Weg nach Thun. Plötzlich hält ein Auto vor mir: Ob ich mitfahren möchte. Die beiden Engel lassen mich zusteigen und bringen mich nahe zu meiner Wohnung - autofahrende Engel, aufmerksam auf die möglichen Bedürfnisse ihrer Mitmenschen. Wer die Augen offen hält, kann tagtäglich solche wohltuenden Engelsbegegnungen erleben, und wer selber aufmerksam ist, kann jederzeit anderen zu einem ähnlichen Alltagsengel werden, der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft verbreitet. Solches Engelwirken verändert eine Gesellschaft von innen her - zum Positiven.

Oder möchten Sie Engelwirken vielleicht noch auf etwas besinnlichere Art erfahren? Machen Sie doch in der nächsten klaren Nacht wieder einmal einen Spaziergang unter dem Sternenhimmel.Wer weiss, vielleicht haben Sie Glück und erblicken den leuchtenden Schweif eines "Sternschnuppen-Engels" der auf ganz leise Weise sein Stück Himmelsleuchten zur Erde bringt.

Markus Nägeli, Pfarrer in Thun-Strättligen

Zurück zur Auswahl

Sie sind der 761738. Besucher dieser Homepage
© 2024 by Markus Nägeli, Thun - Disclaimer - Webdesign by dysign.ch