blank Texte - Besinnungen Zurück zur Startseite

Vertrauen - trotz allem (Zum Jahresbeginn 2005)

Gedanken zum Sonntag 2. Januar 2005 in: Homepage Ref. Kirche Thun

Gerade erst herrschte noch Sonnenschein, Entspannung, Lebensglück – und da bricht sie herein, die Flutwelle des Seebebens, zerstört in Sekundenschnelle, was Menschen mit viel Liebe aufgebaut haben und reisst Unzählige mit in den Tod – ohne Vorwarnung, ohne Begründung, ohne Sinn.
Gerade erst haben wir Weihnachten gefeiert mit dem Kind in der Krippe: göttliche Gegenwart mitten in der Welt, mitten unter uns, mitten in uns. Gerade erst haben wir ganz zaghaft Vertrauen gefasst, dass die göttliche Liebe allen Menschen gilt – und da bricht sie herein, die Flutwelle der Medienberichte, um das zarte Pflänzlein unseres Gottvertrauens mit in den Abgrund der Sinnlosigkeit zu reissen.
Gerade erst hat das neue Jahr begonnen, mit viel Betriebsamkeit, Lärm und Ausgelassenheit, mancherorts jedoch auch mit der bangen Frage im Innern: Wie lange wird in meinem eigenen Leben oder im Leben meiner Lieben Sonnenschein und Lebensglück andauern, und wo braut sich eine Flutwelle zusammen, die jederzeit auch über uns hereinbrechen könnte.

In vielen Kirchen wurde zu Jahresbeginn als Jahreslosung für 2005 das folgende Christuswort gelesen: Christus spricht: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ (Luk. 22,32). Hier wird nicht versucht, billigen Trost zu spenden: Christus sagt dies am Vorabend seines eigenen Leidensweges. Er zeigt mit seinem eigenen Leben und Sterben, dass sich Gott nicht von der Abgründigkeit des Menschseins dispensiert, sondern mitten in allem Unbegreiflichen und Sinnlosen solidarisch mitleidet – und nicht nur mitleidet, sondern auch diejenigen mittragen will, die am Abgründigen zu zerbrechen drohen, so z.B. den Jünger Simon Petrus. An ihn ist dieses Wort gerichtet und mit ihm an alle, die um die Wechselhaftigkeit ihrer eigenen Befindlichkeit wissen: Heute noch von Begeisterung beflügelt, morgen schon von Verzweiflung geknickt – durch alle Wechselfälle des Lebens hindurch klingt dieser Zuspruch an Petrus und an uns: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“

Für uns wird gebetet. Christus selber betet für uns. Christus bittet bei Gott für uns. Er bittet nicht, dass Gott uns nahe bleiben möge, dies wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Christus bittet für uns, dass unser Glaube, unser Vertrauen nicht aufhören möge. Christus bittet für uns, dass das Geheimnis der göttlichen Gegenwart (mitten in der Welt und mitten in uns) uns zugänglich bleibt. Christus bittet für uns, dass wir uns auch in den Wechselfällen und Abgründen des Lebens immer wieder neu in das Geheimnis des „Gott mit uns“ verwurzeln können, in dieses Geheimnis, das unverrückbar Wirklichkeit bleibt, auch in Zeiten von Erdbeben und Flutwellen, sei es in unserem eigenen Leben oder in der weiten Welt.
Die Fürbitte von Christus wird uns auch im begonnenen 2005 durch Abgründe hindurchtragen. Versuchen wir - täglich neu - uns ihr anzuvertrauen und aus diesem Vertrauen heraus Solidarität zu leben mit denjenigen, die am Stärksten von Flutwellen betroffen werden.


Markus Nägeli, Pfarrer in Thun-Strättligen




Zurück zur Auswahl

Sie sind der 761591. Besucher dieser Homepage
© 2024 by Markus Nägeli, Thun - Disclaimer - Webdesign by dysign.ch