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Durchbruch von innen

Gedanken zum Sonntag 24. April 2004 in: Homepage Ref. Kirche Thun

Frühlingszeit - An leuchtenden Feldern von weissen Buschwindröschen vorbei streifen Kinder dem Waldrand entlang. Plötzlich kniet eines von ihnen mitten im alten Laub: "Schaut doch diese Haselnuss!"  Staunend betrachten die Kinderaugen das Frühlingswunder: wie sich aus der von innen her aufgebrochenen Nussschale mit tastender Geste ein Keim herausschiebt und nach Verwurzelung strebt.
Sogleich graben Kinderhände ein Loch im Waldboden, legen die keimende Nuss sorgfältig hinein und decken sie mit feuchter Walderde zu.
Die Stimmung der Kinder ist dabei völlig anders als vor einigen Monaten bei der Herbstwanderung. Damals hatten sie gegenseitig wetteifernd möglichst viele Haselnüsse eingeheimst und ab und zu mit gewaltsamen Steinschlägen die harten Schalen gesprengt, um an den schmackhaften Kern heranzukommen. Nun aber erfahren sie, dass Verschlossenes auch von innen her gesprengt werden kann. Und sie erfahren noch mehr: Mit beeindruckender Sorgfalt, fast andächtig begegnen sie dem Geheimnis keimenden Lebens und versuchen, auf ihre Weise, es zu unterstützen.

Nachosterzeit - In Joh. 20,19ff wird uns geschildert, wie die Jüngerinnen und Jünger am Osterabend in einem verschlossenen Raum versammelt sind. In einer Welt der gewaltsamen Zugriffe und der dadurch immer wieder ausgelösten Angst scheint Rückzug und sich Einschliessen die einzige Möglichkeit zu sein, um zu überleben.
Und plötzlich erscheint der Auferstandene. Er bricht die verschlossenen Türen nicht gewaltsam auf. Wie von ganz innen her kommend, tritt er mit seinem Friedensgruss in die Mitte der Jüngerschar. Seine Geste, mit der er die Wundmale an seinen Händen und seiner Seite offen legt, zeigt etwas rührend Zerbrechliches - und strömt doch eine Kraft aus, die alle Härte der Welt zu überwinden im Stande ist. Die Jüngerinnen und Jünger erfahren als Erste diese öffnende Kraft: "Da wurden die Jünger froh, als sie den Herrn sahen." Und sie hören, wie der Auferstandene sie anspricht: "Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, sende auch ich euch."
Vieles in unserer Welt scheint verschlossen und vernagelt. Oft genug erfolglos versuchen wir dagegen anzurennen und verschlossene Türen aufzubrechen. Die Nachosterzeit will uns Mut machen, zu vertrauen, dass das Wesentliche zu seiner Zeit von innen her durchbricht. Vielleicht gelingt es auch uns, wie den Kindern am Waldrand, hie und da in unserem Alltag tastende Auferstehungskeime zu entdecken. Als Friedensboten des Auferstandenen dürfen wir ihnen eine Umgebung bereiten, in der sie Wurzeln schlagen und aufwachsen können.

Markus Nägeli, Pfarrer in Thun-Strättligen

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