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Es gfroores Bächli

Gedanken zum Sonntag 15. Januar 2006 in: Homepage Ref. Kirche Thun

Mittwinterzeit. Klirrende Kälte umfängt uns, wenn wir ins Freie treten. Instinktiv werden Mantelkragen hochgeschlagen und das wärmende Halstuch fester gezogen. Mancher Schritt beschleunigt sich, um bald wieder in wohlige Wärme eintauchen zu können. Wie gut, wenn wir trotzdem nicht mit Scheuklappen durch die Gegend eilen. Wer trotz frostiger Kälte hie und da einen Moment stehen bleibt, kann rund um sich eine verzauberte Welt wahrnehmen. Und wer diesen Zauber tiefer auf sich wirken lässt, der vermag gar den Klang, eine Botschaft des Mitwinters zu hören. So wie vor Jahren der Hasliberger Schriftsteller Ernst Nägeli bei seinem Winterspaziergang einem Bachlauf entlang:


Es gfrores Bächli (Ernst Nägeli)

Wie hed das doch im Herbscht nu gsungen,
siis Wasser bis a ds Wägli gschpritzt!
Hehj uber d Schteine isch es gschprungen,
und tifig den d s Loch abhi pfitzt.

Jetzt schiind das heitre Bächli gschtorben –
kei Ton ischt mier etgäge chun.
Was hed ihm d Läbesluscht verdorben?
Was ihm siis luschtig Liedli gnun?

Jetzt gsehn is: D Chelti hed en dicki
Ischdechi gwoben, druber tan.
Gran numen hie und da es Schticki
mag ds Bächli nu sii Löif ephan.

Und ds Wasser, wie vu wiit und liisli,
möscht di erschtellen, dass ses gheerscht,
verschlaaffen chischellets siis Wiisli –
ob dü o eis so zrugghan leerscht?

Ob düo eis, schtat z waschlen, z prichten,
ugsibet üüse z laan, was will –
ob dü o eis ses chenntischt richten
und täichen: Jetz es bitzli schtill ... ?

So, wie miis Bächli da, wes g’iisched,
wes nimme singd, derfir meh täicht,
und nummen nu gäg inne rüüsched
und dert siis niwwe Liedli reicht.



Mittwinterzeit – im Tiefsten eine Auszeit – eine Brachzeit. Sie lädt uns jedes Jahr neu ein, innezuhalten, den Frost, die Stille, die Leere nicht nur auszuhalten, sondern sich ihr anzuvertrauen. Lassen wir uns immer wieder hineinsinken in diese Winterruhe, so wie wir uns als Kinder gerne hineinsinken liessen in hohen Schnee. „Sei stille meine Seele zu Gott, der mir hilft.“ (Ps. 62,2). Im Untergrund dieser scheinbar toten Zeit keimt bereits neues Leben.

Markus Nägeli, Pfarrer in Thun-Strättligen

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